Schulgeschichte

...am 29.06.1325 wurde unsere Schule das erste Mal erwähnt!

Die Geschichte der deutschen Schule beginnt mit Karl dem Großen um 800. Er gab den Auftrag an Bischöfe und Klöster, Schulen zu gründen. Schon damals entstand ein erstes zusammenhängendes Schulwesen. Vielleicht ist unser Stephaneum in dieser Zeit gegründet worden. Allerdings verliert sich der Ursprung dieser Schule im Dunkel der Vergangenheit. Eine Stiftungsurkunde liegt nicht vor und ist vielleicht niemals vorhanden gewesen. Im Mittelalter wurden Schulen zunächst als Klosterschule eingerichtet und bildeten damit den Mittelpunkt des geistigen Lebens. Die dem Heiligen Stephanus geweihte Hauptkirche unserer Stadt gab daher auch unserer Anstalt ihren Namen.

In Aschersleben hatte sich die Domina des Nonnenklosters "Sanctae Mariae Virginis" das Patronatsrecht über die Schule von dem Grafen von Askanien erbeten und 1309 bestätigt bekommen. Der Rat der Stadt bezahlte aber die Lehrerstelle aus Gemeindemitteln, jedoch ohne Entscheidungen über die Personalbesetzung treffen zu dürfen. Darüber kam es zu einem langwährenden Streit zwischen dem Rat der Stadt und dem Domscholastikus bzw. dessen Stellvertreter, dem Probst von St. Stephani. Der Zwist wurde am 29. Juni 1325 durch einen gütlichen Vergleich beigelegt. Beide Dokumente sind im Ratsarchiv Aschersleben vorhanden und gelten als Gründungsdatum. Damit wird als Gründungstag unserer Schule der 29. Juni 1325 angenommen.

Der Ruf nach Veränderung in der Geschichte ist oft der Ausdruck wirtschaftlicher und politischer Unzufriedenheit. So auch zur Zeit Martin Luthers. Seine Thesen waren es, die eine Reform der Kirche forderten. Seine Thesen waren es, die Jubel und Abwehr zugleich hervorriefen, und seine Thesen waren es, die letztlich dazu führten, dass eine reformierte Kirche entstand. Um den Protestanten eine Plattform in der Gesellschaft zu verschaffen, forderte Luther die Bürgermeister und Ratsherren deutscher Städte auf, christliche Schulen einzurichten, die den neuen Geist repräsentierten. Diesem Ideal folgte auch der damalige Rektor des Stephaneums, Petrus Leutz. Die Schule trug unter seinem Wirken zur Reformationsbewegung bei und wurde später in den ausbrechenden Bauernkrieg hineingezogen. 1512/1513 hatte der Führer des Bauernaufstandes, Thomas Müntzer, an dieser Schule gewirkt und die Bürgerschaft mit seinen Ideen vertraut gemacht. Kulturlosigkeit und Verwahrlosung, Zuchtlosigkeit und ungeheure Schäden gingen mit dem Bauernkrieg einher. Eltern weigerten sich, die Kinder zur Schule zu schicken.

Lehrer standen vor leeren Bänken

Ab 1526 führte das Stephaneum ein Scheindasein. Zu einer Neugestaltung von Schulen kam es erst im Jahre 1542 mit der Gestaltung freier Religionsausübung. Jetzt öffnete das Stephaneum wieder seine Pforten für wissbegierige junge Leute und zwar als Stadtschule im wahrsten Sinne des Wortes. Der Rat übernahm die Sorge für alle Angelegenheiten der Schule. Seit 1513 wurde im neuen Schulbau unterrichtet. Der Rat der Stadt Aschersleben erwarb von 1526 an den gesamten Besitz des durch den Bauernkrieg verödeten Nonnenklosters und seine Konsequenz war wohl auch ein Stephaneum mit neuen Bildungsinhalten, die man zu Beginn unserer Neuzeit wohl durchaus progressiv nennen konnte. Es ist das heute noch erhalten gebliebene "Alte Stephaneum" hinter der Stephanikirche."Für Kirche und Staat zu erziehen, den Menschen somit zu einem Bürger des Reiches Gottes und zu einem brauchbaren Gliede des städtischen Gemeinwesens heranzubilden" entsprach dem Bildungsideal dieses Zeitalters. Somit sollten Schüler mit der Glaubenslehre, den klassischen Sprachen, mit der Lyrik, Rhetorik, Arithmetik vertraut gemacht werden. Starke Betonung lag auch auf der erzieherischen Aufgabe der Schule, indem sie vorschrieb, dafür zu sorgen, "dass schon in zarter Jugend die Knaben sich an die Bescheidenheit gewöhnen". Schule sah sich durchaus als Hüterin von Zucht und Tugenden. Man legte großen Wert auf Umgangsformen, wohl gerade deshalb, um dem missverstandenen Freiheitsbegriff der Unruhejahre entgegenzuwirken.
Ordnung, Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Höflichkeit und Gefälligkeit waren Normen, die das Miteinander bestimmten. Schulen des 16. Jahrhunderts kamen nicht umhin, trotz ihrer einseitigen Einstellung auf den Lateinunterricht zunehmend auch die deutsche Sprache zu berücksichtigen. Viele Schulmänner dieser Zeit fürchteten, dass ihre Schulen infolge der Pflege der deutschen Sprache in dem Urteil ihrer Zeitgenossen mit dem "Makel der Minderwertigkeit" belastet wurden. Als Fortschritt ist deshalb die Anordnung der Ascherslebener Schulbehörde zu sehen. Verstärkte Aufmerksamkeit wurde dem Lateinunterricht gewidmet. Somit befand sich die höhere Bürgerschule im Aufwind und im Trend der Zeit. Steigende Schülerzahlen und ein neues Schulgebäude im Jahre 1847 sind Beweis dafür. Mit dem Jahre 1851 trat die Schule in die Reihe derjenigen höheren Anstalten, welche nun auch das Recht hatte, Schüler zur königlichen Bauakademie in Berlin zu entlassen. Die Realschule war jetzt unmittelbar neben das Gymnasium gerückt.
Mit dem Jahr 1860 wurde erstmals das Fach Englisch unterrichtet. 1864 durfte sich das Stephaneum Realschule 1. Ordnung nennen. Die Chronik vermerkt: "Eine glückliche Entwicklung setzte jetzt ein." So nahmen die Schülerzahlen stetig zu, deshalb mussten Parallelklassen eingerichtet werden. Damit wurde das Bedürfnis nach einem größeren Schulgebäude dringender. 1870 wurde der Beschluss zum Bauen gefasst und 1875 wurde ein Neubau am Promenadenring in unmittelbarer Nähe des Rondells und Klosterhofes fertiggestellt. Es ist das heute noch bestehende und als Schule genutzte Gymnasium. Jetzt konnten auch solche naturwissenschaftlichen Fächer wie Chemie, Physik und Botanik erteilt werden. Mit der Schulreform des Jahres 1882 gelang die weitere Annäherung an das Gymnasium durch Verstärkung des Lateinunterrichts. Jetzt durfte sich das Stephaneum Realgymnasium nennen. Damit herrschte strenge Schulzucht, die es selbst 1889 nach verbot, nach Abiturienten-Examen Schülerbälle durchzuführen. Selbst der Besuch öffentlicher Theaterveranstaltungen bedurfte der ausdrücklichen Zustimmung des Direktors. Auch die Ferien waren der Willkür des Schulleiters ausgesetzt und erst ab 1873 wurde dieser durch allgemeine Regelungen vorgebeugt.

1887, zwei Jahre nach dem Beginn der Umwandlung des Stephaneums in ein Gymnasium, verfügte Aschersleben über eine humanistische Bildungseinrichtung. 1901 erhielt diese Lehranstalt eine eigene Turnhalle. Jetzt wird die ganze Persönlichkeit des Schülers bewertet und dabei werden auch sehr gute Leistungen in solchen Fächern wie Zeichnen, Turnen, Musik, also jede besondere Befähigung, beachtet.

Kaum eine Zeit hat so tiefgreifende Veränderungen auf dem Gebiet des höheren Schulwesens hervorgerufen wie die Zeit um die Jahrhundertwende. Der Fremdsprachenunterricht wurde erweitert, so dass jetzt neben Latein und Englisch auch Französisch unterrichtet wurde. Naturwissenschaftliche Fächer wurden verstärkt gelehrt. Kunstverständnis wird durch Unterrichtsbesuche vertieft.

Tiefe Einschnitte hinterließ der Erste Weltkrieg

Lehrer wie Schüler zogen laut Chronik bei Beginn der Mobilmachung ins Feld. Viele kehrten nicht zurück. Schule dieser Zeit war geprägt durch einen ständigen Wechsel der Lehrkräfte, kalte Schulgebäude in den Wintermonaten, sonstige Unterrichtsunterbrechungen. Eine Beurteilung der Schüler war deshalb häufig kaum möglich oder realistisch. In den Jahren 1909 - 1911 wurde das humanistische Gymnasium stufenweise in ein Reformgymnasium umgewandelt. Die angeglichene Realschule wurde beibehalten.

Um Schüler zu trefflichen Staatsbürgern zu erziehen, hatten sich bereits zu dieser Zeit Bürgermeister und Ratsmänner hervorgetan, die weder Mühe noch Kosten scheuten, um besonders begabte junge Menschen zu fördern. Die Chronik des Jahres 1925 stellt zusammenfassend für die Zeit um 1600 fest: "Überblickt man noch einmal die Entwicklung, die das Stephaneum im Verlaufe des Jahrhunderts genommen hat, so geht daraus hervor, dass das, was dem Erasmus, dem Luther und vor allem dem Melanchthon als Ideal einer Schule vorgeschwebt hat, verwirklicht worden ist, soweit es erreichbar war." Zu Beginn des 17. Jahrhunderts verhinderten die Umstände der Ereignisse des 30-jährigen Krieges eine Fortführung bzw. Weiterentwicklung dieser Tradition. Not und Tod zwangen die Lehrer, das Amt aufzugeben. Erst im Jahre 1649 wurden Lehrerstellen neu besetzt, Inhalte neu diskutiert. Nicht mehr wie im vorangegangenen Jahrhundert steht die Glaubenslehre an erster Stelle, sondern die deutsche Sprache, so auch am Ascherslebener Stephaneum. Mit dem Westfälischen Frieden wurde ein neuer Zeitgeist geboren, aus dem eine neue weltliche Wissenschaft hervorging, die sich von der Autorität und Tradition der Kirche löste und sich auf Vernunft gründen wollte.

Praktische Pädagogen zum Ende des 17. Jahrhunderts unternahmen den letzten Versuch, "das gesamte Dasein unter religiösem Gesichtspunkt zu fassen". Der Pietismus wurde für das Stephaneum von Bedeutung. So lag das Hauptgewicht des Unterrichts auf der Religionslehre. In allen Klassen sollte darauf gesehen werden, dass biblische Stoffe hergesagt und biblische Geschichten erzählt wurden, damit die Schüler auch in deutscher Sprache reden lernten. So übernahm der Religionsunterricht gleichzeitig die Pflege der deutschen Muttersprache. Das über 200 Jahre alte Schulgebäude war bereits 1728 so altersschwach geworden, dass es saniert werden musste. Im Oktober desselben Jahres wurde die Schule durch einen Festakt eingeweiht. Allerdings waren die Arbeiten im Nachhinein als qualitativ so schlecht eingeschätzt worden, dass Eltern sich weigerten, ihre Kinder in diese Schule zu schicken. 1744 kam es zu einem Neubau. Der Baukörper ist seitdem unverändert geblieben und wurde als Schule noch bis 1846 genutzt. Die Aufklärung, fast zeitgleich mit dem Pietismus entstanden, entwickelte auf dem Gebiet des Unterrichts großen Eifer. Die Idee der Realschule als neue Bildungsstätte für das Bürgertum setzte sich durch. Damit entstand die neuhumanistische Bewegung.

Die Veränderung in der Gliederung der Gesellschaft ging am Anfang des 19. Jahrhunderts weiter vor sich. Dem wohlhabenden Bürgertum stand eine weniger bemittelte Schicht gegenüber und beide verlangten von der Schule eine zweckentsprechende Ausbildung: einerseits Studium, andererseits praktische Ausbildung. Damit entstand das Gymnasium. Seit Beginn des 19. Jahrhundert beschäftigte die Neugestaltung des Stephaneums nicht nur das Stadtparlament. Eine gedeihliche Arbeit konnte insofern nicht zustande kommen, da die Freiheitskriege auch Wirkung auf die Schule hatten. Schüler verrohten zunehmend, Mangel an Lehrkräften, leere Staatskassen. 1835 besuchten nur noch 70 Kinder die Anstalt. Diese Umstände führten am 25. März 1836 dazu, dass die drei letzten Abiturienten entlassen wurden und das Gymnasium aufgelöst wurde. Erst im Oktober 1836, umgewandelt in eine höhere Bürgerschule, wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Über die Unterrichtsziele erfahren wir aus der Chronik, dass "die Ausbildung aller derjenigen Knaben und Jünglinge" bezweckt wurde, "welche sich dem Militärdienst, dem Post-, Bau-, Forstfach sowie den höheren Kreisen der bürgerlichen Tätigkeit widmen wollen." Schüler wurden auf das praktische Leben vorbereitet.

Die Zeit nach der November-Revolution von 1918 in Deutschland war gekennzeichnet durch einen  breiten Aufschwung demokratischer Kräfte. Auch innerhalb der Volksschullehrerschaft gab es eine starke Strömung mit demokratischen Forderungen. Viele davon wurden in die Weimarer Verfassung vom Juli 1919 aufgenommen: Eine gemeinsame Grundschule für alle, erstmals eine allgemeine Schulpflicht  bis zum 18.Lebensjahr, einheitliche akademische Lehrerbildung auch für Volksschullehrer, Einführung der politischen Bildung, sowie Erziehung im Geiste der Völkerversöhnung. Eine strikte Trennung von Staat und Kirche war nicht vorgesehen, die Arbeit konfessionell gebundener Schulen wurde den Städten und Gemeinden überlassen.

Im Zuge der demokratischen Umgestaltung wurde am Stephaneum ein staatlich geförderter Elternbeirat gegründet, an dessen Sitzungen der Schuldirektor und auch einige Lehrer  teilnahmen. In den  30er Jahren ist dann vom Elternbeirat nicht mehr die Rede. Zwar wurde kein Schülerrat eingerichtet, jedoch die Zusammenarbeit mit den Vertrauensmännern der einzelnen Klassen zunächst fortgeführt. Infolge der Not nach dem 1. Weltkrieg konnten viele Familien nicht die geforderten Schulbücher kaufen. So wurde am Stephaneum eine Hilfsbibliothek eingerichtet mit nicht mehr benötigten Schulbüchern von Absolventen.

Das Stephaneum als humanistisches Gymnasium war schon zwischen 1909 und 1911 auf Beschluss der Ascherslebener Stadtverordnetenversammlung in ein Reform- bzw. später Reformrealgymnasium umgewandelt worden, damit die Schüler besser auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet werden konnten. Bei weitem nicht alle Schüler nahmen ein Studium auf und schlugen dann eine akademische Laufbahn ein. Viele gingen in mittlere Berufe: Lehrstellen in Handel, Industrie und Handwerk, Arbeit in Behörden und Institutionen, Landwirtschaft. Sie brauchten hierfür weniger Latein und Religion als Naturwissenschaften, Mathematik  und Deutsch.

Eine Statistik der sozialen Schichtung  aus dem Jahr 1930  zeigt: Von den Eltern der  rund 430 Schüler des Stephaneums  waren

  • 6,7% Industrielle, Großlandwirte, und Bankiers,
  • 9,5% Akademiker in freien Berufen, Angestellte in gehobener Stellung,
  • 4,2% höhere Beamte,
  • 30,1% mittlere Beamte und Volksschullehrer,
  • 25,6% Handwerksmeister, selbständige Kaufleute, kleine Bauern,
  • 17% Arbeiter, Unterbeamte, unselbständige Handwerker und Kaufleute,
  • 6,9% Witwen und Langzeitarbeitslose.

Das Stephaneum als Reformrealgymnasium hatte 1925 folgende Fächer in der  allgemein verbindlichen Stundentafel: Religion, Deutsch, Latein, erste neuere Fremdsprache , zweite neuere Fremdsprache, Geschichte (Staatsbürgerkunde), Erdkunde, Mathematik, Naturwissenschaften, Zeichnen, Singen. Hinzu kamen Leibesübungen, Musikpflege und freie Arbeitsgemeinschaften. Im Jahr 1927 besuchten 403 Schüler das Stephaneum; davon waren 161 Auswärtige und hiervon 119 Fahrschüler.

Das Stephaneum war nach wie vor konfessionell gebunden. Bis etwa 1934 wurde jeder Schultag zentral durch eine christliche Andacht eingeleitet mit Gebeten, Chorälen und einer kurzen Ansprache. Die Teilnahme war obligatorisch und wurde streng kontrolliert. Ab 1934 fand diese christliche Morgenandacht nur noch einmal wöchentlich statt. Sie wurde etwa ab 1938 ganz eingestellt. Danach gab es montags vor Schulbeginn eine eher deutsch-national bzw. nationalsozialistisch orientierte Morgenfeier, doch wurde deren Dauer bald auf zehn  Minuten beschränkt, um nicht zu viel Unterrichtszeit aufzugeben. Der Religionsunterricht wurde jedoch erstaunlicherweise bis etwa 1943 fortgeführt

Nach ihrer Machtergreifung im Jahre 1933 setzten die Nationalsozialisten alles daran, ihre Ziele durchzusetzen. Mit dem Buch AEUR?Mein KampfAEURoe hatte Hitler die Richtung vorgegeben: Sozial-biologische Unterscheidung der Menschen nach ihrer rassischen Herkunft in wertvolle und minderwertige Rassen; auf dem Führer-Gefolgschaftsprinzip beruhende Volksordnung; Anspruch des Herrenvolkes (arische Rasse) auf Lebensraum. Zur Realisierung dieser Ziele inszenierte das nationalsozialistische Regime den 2. Weltkrieg mit seinen verheerenden Folgen:  Rund 50 Millionen Tote, Ermordung von rund 5 Millionen Juden, Vertreibung von Millionen Menschen aus ihrer Heimat, Verlust großer deutscher Gebiete und ungeheure materielle Kriegsschäden.

In der Weimarer Republik entwickelten sich sehr unterschiedliche Arten höherer Lehranstalten. Unter dem Nationalsozialismus fand eine Vereinheitlichung statt: Neben einigen wenigen humanistischen Gymnasium und einigen Aufbauschulen gab es nur noch die einheitliche Oberschule.

Am Stephaneum  als städtischer Oberschule wurde besonders der Inhalt der Fächer Geschichte, Deutsch und Biologie im Sinne der NS-Ideologie verändert. Das Fach AEUR?RassenkundeAEURoe wurde in den Oberklassen neu eingeführt, die Rassenlehre aber später im Geschichtsunterricht mit behandelt. Im Vordergrund stand die Durchsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung: Die Schule sollte die Jugend zu rassebewussten Volksgenossen in der deutschen Volksgemeinschaft erziehen und ihren Körper stählen. Der Charakterbildung wurde viel Wert beigemessen: Eigenschaften wie Ehre, Treue, Wahrhaftigkeit, Gemeinschaftssinn, Opferwilligkeit sollten entwickelt werden. Idealbild war der kämpferische deutsche Mann. Der Unterricht in gemischten Klassen mit Jungen und Mädchen (Koedukation) war nicht erwünscht, allerdings wurden bis in die 40er Jahre einzelne Mädchen und Mädchenklassen in das Stephaneum aufgenommen. Von 1922 bis 1938 gab es 80 Schülerinnen, von denen 47 die Reifeprüfung bestanden.

Die wissenschaftliche Erziehung spielte eine untergeordnete Rolle.
Fast jeder Schüler war Mitglied der Hitlerjugend und hatte ein- bis zweimal in der Woche zum Dienst zu erscheinen. Die Kinder von Juden und Halbjuden wurden nicht in die NS-Jugendorganisation aufgenommen. Im Jahre 1936 mussten auch die bislang üblichen Schülermützen mit unterschiedlichen Farben für die einzelnen Klassenstufen aufgegeben werden.

Auf die körperliche Ertüchtigung  wurde im Schulunterricht  weiterhin besonderer Wert gelegt. Ihr wurde schon zur Zeit der Weimarer Republik viel Bedeutung beigemessen. Sie spielte auch im HJ-Dienst eine große Rolle: Es gab Sportfeste, Geländespiele, Zeltlager, Wanderungen und vormilitärischen Drill.  Die Zielsetzung wurde noch deutlicher bei der Teilnahme an sog.

Wehrertüchtigungslagern.  1935 wurde ein zweijähriger Wehrdienst eingeführt, dem ein halbjähriger Arbeitsdienst vorausging. Dies alles diente der Kriegsvorbereitung. Im Sommer 1933 wurde das Fach "Wehrsport" eingeführt.
Anstelle der bisherigen neun gab es ab 1937 am Stephaneum acht Schuljahre. Der neue "vaterländische Geist" kam auch in Fahnenappellen zum Ferienbeginn und Ferienende zum Ausdruck. Zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Disziplin wurde von der Körperstrafe zumeist in Form von Ohrfeigen Gebrauch gemacht, aber nicht von allen Lehrern. An der Stephanischule wurden übrigens AEUR?Zucht und OrdnungAEURoe auch mit Hilfe des Rohrstocks aufrechterhalten. Körperstrafen wurden nach 1945 verboten, Lehrer, die dennoch davon Gebrauch machten, bestraft.

Nach allem, was bekannt wurde, behandelte die eher deutsch-national und humanistisch eingestellte Lehrerschaft des Stephaneums zwar pflichtgemäß die neuen Lehren, achtete jedoch zumeist auf sachliche Einschätzungen und Einordnungen. Nur wenige Lehrer waren überzeugte Nationalsozialisten.
Mit Beginn des 2. Weltkriegs im September 1939 wurden alle jüngeren wehrfähigen Lehrer zum Wehrdienst eingezogen und durch bereits emeritierte ältere Kräfte ersetzt. In den letzten Kriegsjahren gab es erhebliche Beeinträchtigungen des Unterrichts. Infolge von Arbeitseinsätzen in der Landwirtschaft und von häufigem Fliegeralarm gab es viel Unterrichtsausfall. Gegen Kriegsende musste der Unterricht in den oberen Stockwerken der Schule durchgeführt werden, weil die Räume im Erdgeschoss für Flüchtlingsfamilien benötigt wurden. Eine größere Anzahl von Schülern der älteren Jahrgänge wurde zum Wehrdienst eingezogen und musste in den Krieg ziehen. Die 1901 ins Leben gerufenen AEUR?Losen BlätterAEURoe des Verbandes ehemaliger Stephaneer hielten während des Krieges eine Verbindung zu den im Felde stehenden ehemaligen Schülern der traditionsreichen Schule  aufrecht.

Im 1. Weltkrieg waren 144 ehemalige Schüler des Stephaneums gefallen, im 2. Weltkrieg  fielen mehr als dreihundert.

Die Überlebenden gerieten in Gefangenschaft und hatten nach ihrer Entlassung nach Kriegsende große Schwierigkeiten bei der Fortsetzung ihres Schulbesuches. Aufgrund des von den Alliierten intensivierten Bombenkrieges und fehlender Bedienungsmann schaften für die Luftabwehr wurden zunächst die Jahrgänge 1926/27, später auch 1928 der höheren Schulen für  die Luftabwehr als Flakhelfer bzw. Marinehelfer eingesetzt. Das Stephaneum überstellte in den letzten Kriegsjahren die meisten Schüler der Jahrgänge 1927/28 als Marinehelfer in den Raum Emden. Sie erhielten eine Art Notunterricht, zum Teil sogar von Lehrern des Stephaneums.

Das Ende des 2. Weltkrieges im Mai 1945 war für alle eine Erlösung.

Am 8. Mai 1945 erfolgte die Kapitulation Deutschlands, der Zweite Weltkrieg war beendet.

Deutschland wurde in vier Besatzungszonen eingeteilt. Aschersleben befand sich in der sowjetischen Besatzungszone und geriet damit unter kommunistischen Einfluss. Was viele damals als hoffnungsvollen Neuanfang nach der faschistischen Diktatur begrüßten, sollte jedoch erneut zu einer Diktatur, nämlich zur Diktatur des Proletariats, führen. Von Anfang an zeigte das sowjetische Oberkommando besonderes Interesse an der Erziehung der deutschen Jugend. Der Befehl Nr. 40 des Marschalls Shukow enthielt die Anweisung, am 1. Oktober 1945 den Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen wieder aufzunehmen. Gemäß diesem Befehl nahm das Stephaneum am 1. Oktober 1945 den Unterricht wieder auf. Da das Gebäude der Schule mit Umsiedlerfamilien belegt war, wurde der Unterricht in der Luisenschule durchgeführt. Alle Lehrer, die vor dem 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten waren, wurden entlassen. An ihre Stelle, so wird berichtet, traten "demokratische Menschen aus der Arbeiterklasse", die einen achtwöchigen Volkslehrerkurs besucht hatten. Auf Anregung der Militärverwaltung wurden am 4. Januar 1946 in allen Teilen des Landes 8-monatige Neulehrerkurse eröffnet. Wir erfahren weiter: "Die Arbeiterparteien KPD u. SPD unterstützten diese Lehrgänge sehr gut und legten damit den Grundstein für eine neue Lehrergeneration."

Für Aschersleben fanden 2 dieser Lehrgänge an der Holzmarktschule statt, mit dem 1. September 1946 nahmen die so ausgebildeten Lehrer ihren Dienst auf. Über die Jahre 1945/46 erfahren wir, dass die Schülerzahl sehr schwankend war, dass viele Unterrichtsstunden ausfielen, dass die Schüler den Unterricht sehr unregelmäßig besuchten, dass ein großer Mangel an Heften, Schulbüchern und Schuhen bestand. Die erste Reifeprüfung nach dem 2.Weltkrieg fand in der Zeit vom 2. - 13. April 1946 statt. Vier Schüler begannen die Prüfung, ein Schüler wurde wegen eines groben Täuschungsversuches ausgeschlossen. Drei Schüler bestanden das Abitur mit dem Ergebnis "Bestanden". Die ersten Abiturienten wurden am 17. April in einer Feierstunde entlassen. Am 21. Mai 1946 erfolgte der Umzug wieder in das Gebäude am Külzplatz. Ab dem Jahr 1947, so wird berichtet, konnte der Unterricht wieder in allen Fächern erteilt werden, im Frühjahr 1947 wird der Gegenwartskundeunterricht neu aufgenommen. In jeder Woche sprach man in einer Deutschstunde über politische Fragen, auf Kollegiumssitzungen wurden zunehmend politische Themen wie "Die Verhältnisse in Russland vor und nach der Revolution" und "Die Stalinsche Verfassung" zum Gegenstand. Ab dem 2. April 1947 beginnt die Orientierung über "Wege zur demokratischen Einheitsschule".

Auch wird im Jahre 1947 an der Schule erstmals das Fach Russisch als verbindlich erteilt, ebenso wurden an minderbemittelte Schüler Unterrichtshilfen gezahlt, man bemühte sich, den Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder zu erhöhen. Die Politisierung der Schule im kommunistischen Sinne nimmt ab 1948 zu, so wurde auf der Lehrerkonferenz im Januar neben Fragen der Leistungssteigerung, das Thema "Der politische Lehrer" behandelt. Der Versuch, im März/April 1948 einen von der FDJ unabhängigen Schülerrat an der Schule zu bilden, scheiterte, da die FDJ-Leitung der Schule dessen Unabhängigkeit nicht duldete. Am 29. September 1948 erfolgte die Auflösung des Lyzeums für Mädchen. Beide Schulen wurden zusammengelegt, so dass es nur noch eine Oberschule in der Stadt Aschersleben für Jungen und Mädchen gab. Ab 1949, so erfahren wir, tritt die FDJ aktiver in Erscheinung, es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den "reaktionären" Elementen der Schülerschaft, besonders mit dem Schülerrat. 1949 wurde auch erstmalig ein Elternrat gegründet. Das Schuljahr 1949/50 leitete einen neuen Entwicklungsabschnitt ein, denn mit der Gründung der DDR festigte sich die neue sozialistische Ordnung. Die Fächer Deutsch, Geschichte und Gegenwartskunde werden zunehmend zu politisch bestimmten Fächern. Die FDJ-Arbeit erlebte in diesem Schuljahr einen großen Aufschwung, es wird jedoch berichtet, dass einige Lehrer die Arbeit der FDJ zu hintertreiben versuchten. "Auch kirchliche Jugendverbände wollten den Einfluss der FDJ mindern." Durch die Vorbereitung und Teilnahme am ersten Deutschlandtreffen wurde die FDJ-Arbeit an der Schule wieder aktiviert. Über das Jahr 1950/51 erfahren wir, dass die Schule "immer mehr zu einem Organ der Arbeiter- und Bauernmacht wurde". Ab 1950/51 wird von einer kämpferischen Auseinandersetzung über die Umbenennung der Schule berichtet. "Die fortschrittlichen Kräfte wollten die Schule in Thomas-Müntzer-Oberschule umbenennen, während einige konservative Lehrer den alten Namen Stephaneum beibehalten wollten". Beim Lesen der Schulchronik fällt auf, dass an dieser Stelle das erste Mal der Name Stephaneum im Zusammenhang mit der Umbenennung gebraucht wird, ansonsten wird immer die Bezeichnung Oberschule verwendet, wie auch bei den Zeugnissen ab 1950. Eine sozialistische Schule unter dem Namen des Heiligen Stephanus, wodurch ein jahrhundertelanges Zusammengehen von Kirche und Staat dokumentiert wurde, war unter den neuen Verhältnissen vollkommen ausgeschlossen.

Da die Schule im Jahr 1951 noch "keine besonderen Leistungen" aufzuweisen hatte, genehmigte das Ministerium die Umbenennung noch nicht. Als Fortschritt, um die "besonderen Leistungen der Schule" aufzuweisen,so ist aus der Schulchronik zu erfahren, wird die Gründung der SED-Partei-Organisation bezeichnet. Am 19. März 1952 werden drei Schüler wegen antidemokratischer (gemeint sind antisozialistische) Tätigkeiten von der Schule verwiesen. Im Schuljahr 1952/53 erfolgten auch Versetzungen von Lehrern und die Einsetzung neuer. Die pädagogische Arbeit wird immer mehr von politischen Themen bestimmt. Bis zu 23 Sitzungen des Lehrerkollegiums im Jahr mit ausschließlich politischen Inhalten wurden durchgeführt. Im Jahre 1953 hatte das Stephaneum endlich die "besonderen" Leistungen erbracht, so dass man den Gedanken der Namensänderung als Antrag beim Ministerium für Volksbildung wieder aufnehmen konnte. Am 11. Juni 1953 wurde vom Pädagogischen Rat einstimmig der Beschluss gefasst, den Namen der Schule von Stephaneum in EOS "Thomas Müntzer" zu beantragen. Es ist zu vermuten, dass die Lehrer mit gegensätzlicher Meinung entweder entfernt waren oder sich der Übermacht beugten. Kurze Zeit später wurden drei kirchliche Jugendliche aus der Schule ausgeschlossen wegen reaktionärer Umtriebe, es ist anzunehmen im Zusammenhang mit dem Aufstand vom 17. Juni.

Am 13. Oktober 1953 erfolgte die Umbenennung der Schule in Thomas-Müntzer-Oberschule. Die Schule hatte sich während dieses Zeitraumes in eine durch Partei und FDJ bestimmte Anstalt entwickelt. Das Jahr 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August wird zum schicksalsschweren Jahr unseres Volkes, für die Schule bedeutete es ebenfalls einen Einschnitt. Wenn bis 1961 noch ein Tor zum westlichen Teil Deutschlands und damit zu Westeuropa und der Welt offenstand, das viele Bürger der DDR, auch Lehrer und Schüler der Oberschule, zur "Flucht in den Westen nutzten", fiel am 13. August 1961 endgültig der Eiserne Vorhang. Um den Mauerbau zu rechtfertigen, kam es zu ungeheuerlichen Aktivitäten in der politisch-ideologischen Arbeit an der Schule. In der Arbeitsentschließung der FDJ-Oberschulgruppe vom 5. Oktober 1961 lesen wir von folgenden Aktionen: Es wird sich verpflichtet, nicht mehr die "Sendestationen der NATO zu hören und zu sehen (auch nicht bei reinen Musik- und Sportsendungen)" und jeder Schüler liest die "Junge Welt" das Presseorgan der FDJ. Der ZSGL (Zentralen Schulgruppenleitung) und der FDJ-Leitung obliegt die Kontrolle. Der Pädagogische Rat legt am 12. Oktober einen ebensolchen Beschluss vor. Nach dem Bau der Berliner Mauer ist auch ein härteres Vorgehen der SED gegenüber allen mutmaßlichen Gegnern zu verzeichnen, was auch auf eine gewisse Unsicherheit hindeutet. An einer Erweiterten Oberschule in Anklam hatte es unter den Schülern Unruhe gegeben und das war Anlass, gegen jedwede Gruppenbildung vorzugehen.

"Der Verein zum Schutze der weiblichen Unschuld", von Schülern der Ascherslebener Oberschule in einem Ferienlager an der Ostsee gegründet, bekam durch den 13. August und in diesem Zusammenhang erfolgten "staatsfeindlichen" Äußerungen einiger Hauptbeteiligten politischen Charakter und wurde von den Organen der Staatssicherheit als illegale Gruppenbildung angesehen. Der Schulleitung und dem Lehrerkollegium wurde vorgeworfen, "in der sozialistischen Erziehung der Jugend versagt zu haben". Von den 22 Kolleginnen und Kollegen wurden zum 1. November 1961 neun an andere polytechnische Oberschulen oder an die Hilfsschule versetzt, darunter die gesamte SED-Parteigruppe, der Direktor und der Parteisekretär. Die vier mutmaßlichen Anführer der Schülergruppe verwies man von der Schule. Von nun an richtete die SED-Kreisleitung ihr besonderes Augenmerk auf die Erweiterte Oberschule "Thomas Müntzer", dies betraf besonders die Auswahl der Lehrer, die an dieser Schule unterrichten durften.

Erweiterte Oberschule "Thomas Müntzer"

Der Zugang der Schüler aus der Polytechnischen Oberschule (POS) zur Erweiterten Oberschule (EOS) wurde durch ein Auswahlverfahren der Direktoren der POS und der Abteilung Volksbildung ermittelt. Bei dem Auswahlverfahren wurden vorwiegend die leistungsstärksten Schülerinnen und Schüler delegiert. In einem Jahrgang waren in der Regel durchschnittlich 120 Schülerinnen und Schüler, aufgeteilt in fünf Klassen. Schüler, die eine militärische Laufbahn beabsichtigten, wurden bevorzugt. Entsprechend der staatlichen und politischen Vorgaben wurde streng darauf geachtet, dass der prozentuale Anteil der Arbeiter- und Bauernkinder eingehalten wurde. Schülerinnen und Schüler, die konfessionell gebunden waren, hatten beim Übergang von der POS zur EOS häufig Schwierigkeiten, ebenso die Kinder von selbständigen Unternehmern, besonders Handwerkern. Die Schülerinnen und Schüler kamen nach der 8. Klasse zur EOS und absolvierten die vierjährige Abiturstufe. In den 70er Jahren wurde durch das Ministerium für Volksbildung der Versuch einer zweijährigen Abiturstufe gestartet. Dieser Versuch fand bei den Pädagogen keinen Anklang. Trotzdem wurde 1971 diese verkürzte Form der Abiturausbildung durchgesetzt. Die pädagogische Arbeit hatte in allen Klassenstufen einen hohen Stellenwert. Disziplin und Ordnung waren stets gegeben.

In regelmäßigen Abständen hospitierten Fachberater für einzelne Fächer im Unterricht der Lehrer. In einem Auswertungsgespräch erfolgte eine Beurteilung des Unterrichts und eine Beratung über mögliche Varianten und die Verbesserung desselben. Die Fachberater waren auch für die fachliche Weiterbildung der Lehrer verantwortlich. Die Unterrichtsplanung war durch einen zentralen Lehrplan in allen Fächern exakt festgelegt. Große Freiräume gab es im obligatorischen Unterricht nicht. Als Fremdsprachen wurden obligatorisch Russisch und Englisch unterrichtet. Das Zentralabitur stand im Mittelpunkt. Der Bereich des fakultativen Unterrichts (Wahlunterricht) war weit ausgelegt. Er enthielt folgende Angebote: Philosophie, Geschichte der Arbeiterbewegung, Sozialistische Wehrausbildung, Bildende Kunst, Chor, Deutsche Sprache und Literatur, EDV, Chemie, Mathematik, Elektrotechnik, Französisch, Latein (Grundwissen), Klub der Freundschaft, Russisch, Sport. Das schriftliche Abitur musste in folgenden Fächern abgelegt werden: Russisch, Deutsch, Mathematik und einer Naturwissenschaft. Die Abiturienten konnten in der mündlichen Prüfung in zwei bis fünf Fächern geprüft werden. Mit dem Fach "Wissenschaftliche-praktische Arbeit" in der Abiturstufe sollten die Schüler zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit befähigt werden. In Form von Kolloquien wurden die Ergebnisse verteidigt. Gruppen von drei bis sechs Schülerinnen und Schülern hatten jeweils einen betrieblichen Betreuer, der für die Aufgabenstellung verantwortlich war. Die pädagogische Absicherung erfolgte durch die Pädagogen der EOS.

Neben der Schulleitung gab es noch eine Parteileitung (SED) und eine zentrale FDJ-Leitung. Diese Gremien waren verantwortlich für die politische Struktur und Kontrolle, ebenso die Schulinspektoren der Abteilung Volksbildung. Das Parteilehrjahr fand für alle Kolleginnen und Kollegen regelmäßig in jedem Monat statt, die Teilnahme war Pflicht. Monatliche Mitgliederversammlungen der FDJ waren obligatorisch in den Klassen. In jeder Klasse gab es eine gewählte FDJ-Leitung, die für die Organisation der schulischen, politischen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten verantwortlich war. Nur wenige Schüler der EOS waren kein Mitglied der FDJ. Alle männlichen Schüler der EOS mussten eine vormilitärische Ausbildung in einem zentralen GST-Lager absolvieren. Für die Mädchen wurde ein Lehrgang zur Zivilverteidigung durchgeführt. Die männlichen Schüler fuhren zur Ausbildung nach Breege bzw. nach Tambach-Dietharz. Besonders intensiv wurde die Werbung für den militärischen Nachwuchs der Nationalen Volksarmee betrieben.

Für die Schülerinnen und Schüler der 11. und 12. Klassen gab es eine Studienberatung in Zusammenarbeit mit den Universitäten und Hochschulen der DDR. Viele Professoren und Dozenten waren zu Gesprächsrunden und Diskussionen an der Schule. Im 12. Schuljahr wurden stets Abschlussfahrten durchgeführt. Ziele waren meistens die Länder Bulgarien, Ungarn und die CSSR. Seit 1958 gab es an der Schule einen großen gemischten Chor, der jährlich bei den Solidaritäts-Konzerten und bei vielen gesellschaftlichen Höhepunkten beachtliche künstlerische Leistungen zeigte. Der Chor der EOS war im Bezirk Halle anerkannt. Viele Auszeichnungen bestätigen das. Aus dem Schulchor sind namhafte Gesangssolisten wie Hans-Jürgen Wachsmuth und Babara Arland hervorgegangen. Besondere Verdienste bei der Leitung des Chores erwarb sich der Musiklehrer Martin Fehre. An der EOS spielte der Sport eine große Rolle. Regelmäßig wurden Vergleichskämpfe in der Region (Quedlinburg, Staßfurt, Egeln) durchgeführt. Viele Pokale und Urkunden wurden errungen. Bei den jährlichen Spartakiaden waren die Sportler der EOS immer in der Leitungsspitze dabei. Ein besonderes Ereignis für die "Thomas-Müntzer-Oberschule" war das Jahr 1975. In diesem Jahr wurde der 650. Jahrestag der Gründung der Schule begangen. Aus diesem Anlass wurden mit der Genehmigung der Deutschen Post ein Ersttagsbrief und ein Sonderstempel in der DDR herausgegeben, der Name Stephaneum wurde jedoch vermieden. Viele ehemalige Schüler nahmen an der Festveranstaltung im damaligen Haus des Handwerks in Aschersleben teil. Der ehemalige Schüler Karl Meyer gestaltete mit seinem Tanzorchester "Schwarz/Weiß" die musikalische Umrahmung.

Bis 1989 spielt Russisch als erste Fremdsprache eine wesentliche Rolle im Lehrplanwerk der allgemeinbildenden Oberschulen. Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern wurde versucht, den Unterricht lebensnah, fördernd und fordernd zu gestalten. Alltagssituationen, Besuchsmöglichkeiten in der damaligen Sowjetunion, Briefwechsel, persönliche Kontakte mit Ingenieuren und Facharbeitern, die z. B. im damaligen Leichtmetallwerk Nachterstedt tätig waren und hier gewohnt haben, prägten unsere Kommunikationsabsichten und die Situationen im Unterricht und außerhalb. Die Schülerinnen und Schüler konnten spüren, dass Russisch für sie anwendbar war, u. a. auch bei Veranstaltungen im neuerbauten Schulclub, zum Beispiel bei Freundschaftstreffen mit sowjetischen Soldaten aus der Garnison Cochstedt, bei Schul- und Kreisolympiaden und Festen der russischen Sprache. Seit 1986 stand den Schülern und Schülerinnen der Schulclub zur Verfügung, hier erfolgten verschiedene Freizeitaktivitäten wie Schriftstellerlesungen, Konzerte, Diskussionen zu politischen und anderen Themen. In den 80-er Jahren entstand der Klub Junger Pädagogen als Vorbereitung auf den Lehrerberuf, für den aktiv geworben wurde. Schülerinnen und Schüler mit besonderer Begabung erhielten zeitweilig die Möglichkeit, anstelle des Abiturs schon die Sprachkundigenprüfung nach Klasse 12 abzulegen (ein spezielles Programm der Universität Halle war hierfür Arbeitsgrundlage). Allgemein kann festgestellt werden, dass sowohl die Teilnahme am Abitur in den vorgegebenen Fächern, vor allem aber der Unterricht im Klassenverband für alle die Möglichkeit bot, bis zum Ende der 12. Klasse eine hohe Allgemeinbildung zu erreichen, nicht jedoch eine breite Fremdsprachenausbildung.

Neuanfang & Zukunftsorientierung

Die friedliche Wende in der ehemaligen DDR war vollzogen. Man begann mit dem Aufbau neuer demokratischer Strukturen. Der Anfang wurde mit der Neubesetzung von Leitungspositionen im öffentlichen Dienst gemacht. So wurde die Schulleiterstelle der damaligen EOS neu besetzt. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Schule wurde eine Frau Schulleiterin. Der Anfang gestaltete sich alles andere als leicht. Zu DDR-Zeiten festgefügte Strukturen begannen sich aufzulösen. Das Abitur sollte wieder nach vier Jahren erlangt werden. Das bedeutete Verdopplung des Lehrerkollegiums und Explosion der Schülerzahlen. Nichts war vorbereitet. Am 24. August 1990 erfolgte die Berufung der Schulleiterin, am 27. August die erste Arbeitswoche. Alle Schüler verlangten nach Schulspeisung, das war zu DDR-Zeiten eine Selbstverständlichkeit. Die EOS "Thomas Müntzer" platzte buchstäblich aus den Nähten. Auch deshalb, weil immer neue Schüler um Aufnahme baten, deren Lehrstelle nicht mehr existierte, oder die aus den Klassen der Berufsausbildung mit Abitur kamen, welche aufgelöst wurden. Für die Schulleitung gab es damals einen Grundsatz. Die jungen Leute dürfen nicht zu Schaden kommen, sie dürfen nicht für die gescheiterte DDR verantwortlich gemacht werden.

3. Oktober 1990, Tag der deutschen Wiedervereinigung - an diesem denkwürdigen Tag für unser Land und auch für das Stephaneum pflanzten Lehrer, Schüler, ehemalige Schüler, Vertreter der Stadt Aschersleben sowie der Direktor des Gymnasiums Fallersleben gemeinsam eine Linde. Die Linde, die inzwischen von einem kleinen Bäumchen zu einem stattlichen Baum herangewachsen ist, steht als neues Symbol für das neue Stephaneum und für die friedliche Zukunft Deutschlands. Gestiftet wurde sie von der Stadt Aschersleben. Wenn es in kurzer Zeit gelang, die Schule organisatorisch in den Griff zu bekommen, einen geregelten Schulbetrieb herzustellen und darüber hinaus eine freundliche und hochmotivierte Atmosphäre des Neuanfangs herzustellen, dann ist es das Verdienst aller Beteiligten, sowohl der Schulleitung als auch des Lehrerkollegiums. Diese Zeit des Übergangs von der DDR-Einheitsschule zum differenzierten Schulsystem war wohl die schwerste, arbeitsreichste und komplizierteste Aufgabe. Es waren eine neue Schulorganisation einzuführen, demokratische Strukturen zu schaffen, die Unterrichtsinhalte neu zu bearbeiten, neue Mitwirkungsgremien und eine neue Konferenzordnung ins Leben zu rufen, die Tradition und Geschichte der Schule aufzuarbeiten und daraus eine neue zukunftsorientierte Konzeption zu entwickeln, ein neues Schulbuchprogramm zu erstellen, mit allen Erlassen, Verfügungen, Schnellbriefen, Rundbriefen usw. zu arbeiten, denn das Kultusministerium und die Regierungspräsidien befanden sich erst im Aufbau. Seit August 1991 gab es erst ein Schulreformgesetz (Vorschaltgesetz), dessen 1. Änderung im Dezember 1992 und die 2. Änderung im April 1993 in Kraft traten, mit dem 30. Juni 1993 wurde eine Neufassung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt verbindlich. Im Rückblick erscheint diese Zeit trotz aller Schwierigkeiten als eine faszinierende Zeit von historischer Dimension.

Mit dem Jahr 1991 wurden im Land Sachsen-Anhalt das differenzierte Schulsystem, d. h. Gymnasium von Kl. 5 bis 12, eingeführt, ebenso das Kurssystem und die neue Punktebewertung in der Oberstufe. Das bedeutete eine weitere Explosion der Schülerzahlen und wieder neue Organisationsformen. Am 2. September 1991 wurden weitere vier Jahrgänge eingeschult. Die Einschulung von 559 Schülerinnen und Schülern in einem Jahr sowie eine Gesamtschülerzahl von 971 werden wohl eine Ausnahme in der Geschichte der Schule bleiben. Das Lehrerkollegium verdoppelte sich nochmals auf 68 Lehrerinnen und Lehrer, und das Gebäude der ehemaligen Stephanischule am Apothekergraben wurde das Haus II der Schule. Wiederum bedeutete das eine Herausforderung sowohl für die inhaltliche als auch für die organisatorische Gestaltung der Schule.

Besonders die Schülerinnen und Schüler waren es, welche die Rückbenennung der EOS "Thomas Müntzer" in "Stephaneum" forderten, der Verband ehemaliger Schüler des Stephaneums äußerte ebenso diesen Wunsch. Nach einer persönlichen Vorsprache im Kultusministerium und auf Beschluss der Stadtverordneten erfolgte die Rückbenennung der EOS "Thomas Müntzer" in "Gymnasium Stephaneum" am 1.Juli 1991. Der Abiturjahrgang 1991 erhielt das erste Zeugnis des Stephaneums. 1993 hatte sich die Schule so gut entwickelt, dass eingeschätzt werden konnte, alle Fachbereiche haben sich gut profiliert, die Schule hat zu einer Leistungsfähigkeit gefunden, die ihrem Namen Ehre machte. Über eine Neuprofilierung konnte nachgedacht werden. Als angemessene Fortsetzung der humanistischen Tradition der Schule erschien das Profil der Öffnung für ein zukünftiges Europa. Das Vorhaben der Regierung des Landes Sachsen-Anhalt, Europaschulen einzurichten, wurde von der Schulleitung zum Anlass genommen, eine Konzeption zur Profilierung als Europaschule zu erarbeiten. Lehrerkollegium, Elternrat und Schülerrat stimmten dieser zu, so dass eine Bewerbung zum Modellversuch erfolgen konnte. Der Modellversuch konnte am 17. April 1997 mit der Verleihung des Status "Europaschule - Schule mit europäischer Orientierung" erfolgreich abgeschlossen werden.

Europaschule Gymnasium Stephaneum

Der 17. April 1997 - ein besonderer Tag in der Geschichte des Stephaneums
Nach vierjähriger erfolgreicher Arbeit der Profilierung als Schule mit europäischer Orientierung erhielt das Stephaneum vom Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt den Titel Europaschule verliehen und gehört zu den zwölf Europaschulen des Landes. Neben den allgemeinen Kriterien weist jede Europaschule noch schulformbezogene und typische, nur für diese Schulen erarbeitete, Merkmale auf, die Europaschulen grundsätzlich von anderen Schulen unterscheiden, so auch das Stephaneum. Das Hauptfeld der Bildungs- und Erziehungsarbeit ist der Unterricht. Die Rahmenrichtlinien für die einzelnen Unterrichtsfächer wurden von den Fachschaften so aufbereitet, dass europaorientiertes Lernen möglich wird, teilweise wurden auch Ergänzungen erarbeitet und neue Unterrichtsmittel geschaffen, zunehmend werden der fächerübergreifende Unterricht, Projekttage und -wochen genutzt.

Einen großen Raum nehmen der Internationale Projektgebundene Schüleraustausch, Schulpartnerschaften, Studienfahrten und Exkursionen ein. Im Rahmen des COMENIUS-Programms werden internationale Projekte bearbeitet. Das Stephaneum arbeitet seit 1993 mit dem Dollard College in Winschoten/Niederlande zusammen und seit 1995 auf der Grundlage des COMENIUS-Programms der Europäischen Union zusätzlich mit der Hellerud Videregaende Skole Oslo/Norwegen. Seit März diesen Jahres besteht eine weitere Schulpartnerschaft mit der Complex Cultural I Esportiu Collegi Montessouri-Palau in Girona/Spanien. Während des Schüleraustausches sind die Schüler in den Gastfamilien untergebracht und arbeiten gemeinsam an interessanten Projekten wie z. B.: Straße der Romanik, Talsperrensystem im Harz, Kanalsystem in den Niederlanden, Mittelalter und Zeit der Wikinger in Norwegen, Norwegen ein Wintersportland, Industrie und Bergbau verändern Menschen und Regionen, Bergbau in Norwegen und Deutschland. In Winschoten findet in jedem Jahr während des Schüleraustausches eine internationale Jugendkonferenz statt, an der neben Schülern aus Aschersleben und Winschoten Schüler aus Italien, Frankreich, Belgien und England teilnehmen.

Die offizielle Sprache während des Schüleraustausches ist Englisch. Es ist selbstverständlich, dass bei jedem Schüleraustausch Betriebe, Institutionen, Sehenswürdigkeiten, Ausstellungen und Museen besucht werden und die Schüler die Besonderheiten der Region kennenlernen. Neben der Arbeit an den Projekten lernen die Schüler das alltägliche Leben im anderen europäischen Land kennen, machen sich mit Sitten, Gebräuchen und Traditionen bekannt, überwinden so Vorurteile und üben Toleranz gegenüber Andersartigem. Der besondere Wert des Schüleraustausches liegt auch in der Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse. Neben dem Schüleraustausch in den 11. Klassen finden an unserer Schule regelmäßig Studienfahrten statt. Die Schüler der achten Klassen fahren nach London/England, die Schüler der neunten und zehnten Klassen nach Toulouse bzw. Fronton/Südfrankreich. Seit Juni 1997 gibt es zwischen den Partnerschulen curriculare Zusammenarbeit in den Fachbereichen Chemie, Sprachen, Medienkunde, Kunst, Wirtschaft und Soziologie. In den Partnerschulen arbeiten die Schüler an einem gemeinsamen Thema dieser Fachbereiche und kommunizieren über das Internet. Internationale Lehrerkonferenzen dienen dazu, diese anspruchsvolle Zusammenarbeit noch weiter auszubauen.

Einen besonderen Stellenwert nimmt an den Europaschulen der Fremdsprachenunterricht ein. An unserer Schule werden die Fremdsprachen Englisch, Französisch, Latein und Russisch angeboten, ein weiteres Ziel besteht im Angebot von Spanisch und Italienisch. Zur Unterstützung des Fremdsprachenunterrichts waren am Stephaneum bereits drei Fremdsprachenassistentinnen aus Frankreich, England und Russland tätig. Die Teilnahme am Europäischen Wettbewerb ist an unserer Schule eine Selbstverständlichkeit. Das Stephaneum versteht sich als Zentrum für europäische Begegnung, die Landesmoderation für das COMENIUS-Programm geht von unserer Schule aus, auch wurden bereits drei Juniorpartner, die Grundschule Pfeilergraben in Aschersleben, die Sekundarschule Arendsee und das Richard-von-Weizäcker-Gymnasium Thale von uns angeleitet, außerdem arbeitet die Schulleiterin in der Landesfachgruppe Europaschulen beim Kultusministerium mit. Europaorientierte Veranstaltungen, Vorträge, Fortbildungen und Begegnungen werden von Lehrern und Schülern ebenso genutzt, wie Kontakte zu Europaabgeordneten und Institutionen des Europäischen Parlaments.

Mit dem Schuljahr 1999/2000 wurde am Stephaneum das Fach Europakunde eingeführt. Zunehmend nutzen Abiturienten den Europäischen Freiwilligendienst nach dem Abitur, wozu durch den schulfachlichen Koordinator alljährlich Beratungen stattfinden. Ebenso besteht an unserer Schule die Möglichkeit der Berufs- und Studieninformation innerhalb Europas. Das Gymnasium Stephaneum ist als Koordinationsschule in die Europaschulen der Bundesrepublik Deutschland integriert und unterhält enge Kontakte zum Pädagogischen Austauschdienst Bonn, ebenso gehört unsere Schule zum Netzwerk Europaschulen des Landes Sachsen-Anhalt. Durch den Anschluss an das Internet kommt unserer Schule die Funktion der Bündelung aller Homepages der Europaschulen des Landes Sachsen-Anhalt zu. Schulleitung, Projektleitung und Lehrerkollegium engagieren sich in zunehmendem Maße für die Europaprofilierung unserer Schule, wir haben erkannt, dass diese Arbeit für die Zukunftsorientierung unserer Schüler von großer Bedeutung ist.